Die Waage in der Astronomie und Astrologie

Die Waage (Libra) zeigt sich als eher unscheinbares Sternbild des Tierkreises, das zwischen Jungfrau und Skorpion liegt. Sie ist am besten in den Sommer- und Herbstmonaten sichtbar.
Ihre Sterne leuchten nicht so stark wie die benachbarten Konstellationen, bilden aber eine elegante Form, die an eine alte Waage erinnert.

Zu ihren hellsten Sternen gehört Zubenelgenubi (α Librae) – das bedeutet „Südliche Klaue“ und kommt aus dem Arabischen. Dieser Stern ist ungefähr 77 Lichtjahre entfernt.
Zubeneschamali (β Librae) – die „Nördliche Klaue“ – ist ein bläulich-grünlich leuchtender Stern in rund 185 Lichtjahren Entfernung.
In der babylonischen Astronomie (um 1000 v. Chr.) waren die Sterne, die wir heute als ‚Waage‘ kennen, noch ein Teil des Skorpions – seine ‚Scheren‘ (Chelae). Daher behielten die beiden Hauptsterne bis heute ihre seltsam anmutenden Namen.

Es waren die Römer, die aus diesen Sternen das eigenständige Sternbild Libra machten, was vermutlich im 1. Jh. v. Chr. geschah. Für die Römer spielte die Waage als Symbol für Recht, Ordnung und Gleichgewicht eine große Rolle und die Sonne stand damals zur Zeit der Herbst-Tagundnachtgleiche (etwa 23. September) in diesem Sternbild. Genau an diesem Punkt des Jahres sind Tag und Nacht gleich lang – ein astronomisches Sinnbild für Balance und Gerechtigkeit.
Die Römer verbanden die Waage oft mit der Göttin Justitia (griechisch Dike), die das Recht hütet und mit der Waage Gerechtigkeit misst.

Mythologisch betrachtet steht das Sternzeichen Jungfrau mit der Göttin Astraia für das Ideal der reinen, unbestechlichen Gerechtigkeit und zeigt sich im anschließenden Tierkreiszeichen Waage als konkreter Ausdruck dieses Prinzips: das Abwägen und Finden von Balance.
Damit war und ist die Waage das einzige Sternbild im Tierkreis, das kein Lebewesen darstellt, sondern einen Gegenstand. Sie ist zugleich ein Zeichen für die Suche des Menschen nach innerem wie äußerem Gleichgewicht.

Die Waage in der klassischen Astrologie

Zeitraum: 23. September – 23. Oktober
Element: Luft
Qualität: kardinal (Impulse setzen, Neubeginn – hier im Bereich der Begegnung)
Herrscherplanet: Venus
Polarität: männlich, aktiv

Kernbedeutungen:
Partnerschaft, Beziehung, Ausgleich
Harmonie, Schönheit, Ästhetik
Gerechtigkeit, Diplomatie, Vermittlung
Bedürfnis nach Balance und Verbindung

Im Horoskop zeigt die Waage, wo wir Begegnung suchen, wo wir lernen, unser Ich mit dem Du in Einklang zu bringen – und wo das Streben nach Harmonie auch zu Unentschlossenheit führen kann.

Nach C. G. Jungs tiefenpsychologischem Ansatz verkörpert die Waage den Archetyp der Begegnung und der Integration von Gegensätzen. Sie steht für die innere und äußere Balance, für den Ausgleich zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Ich und Du.

Die Waage ist damit ein Bild für die Anima/Animus-Dynamik – die Auseinandersetzung mit dem inneren Gegenpol, die uns in eine größere Ganzheit führt. (Dieses Prinzip nach Jung beschreibt die inneren gegengeschlechtlichen Archetypen, die in jedem Menschen wirken und die psychische Balance, Kreativität und Beziehungsfähigkeit fördern.)

Thomas Ring sah in der Waage das Prinzip der Beziehung und der Spiegelung: Der Mensch erkennt sich selbst im Anderen. Sie bringt das Bewusstsein von „Ich und Du“ hervor, das über das reine Instinktleben hinausgeht.

Die Schattenseiten der Waage sind Unentschlossenheit, Harmoniesucht und Abhängigkeit vom Urteil anderer. Ihre reife Seite steht hingegen für die Fähigkeit zur Balance, echter Begegnung und dem Sinn für Schönheit und Gerechtigkeit.

Die Waage erinnert uns daran, dass das Leben nicht nur Kampf und Gegensätze ist – sondern auch das Streben nach Einklang, Schönheit und Verbindung.

Nach oben scrollen